Ich bin eigentlich keiner, der sich leicht etwas zu Herzen nimmt. Mit den Jahren ist mein emotionaler Schutzpanzer im dicker und härter geworden. Vieles, was man mir an den Kopf wirft, wie Kritik, Beschimpfungen oder Beleidigungen kann ich gut wegstecken. Das prallt einfach an mir ab. Ich nehme mir das nicht an.

Einiges setzt mir natürlich schon zu, vor allem wenn es von Verwandten oder - vermeintlich - guten Freunden kommt. Das geht mir dann auch eine Weile durch den Kopf, aber es ist nicht so daß ich mir das dann anmerken lasse, dass es mir dabei schlecht geht.

Aber gestern war es seit langer Zeit mal wieder soweit, daß es mich echt mitgenommen hatte.

Meine Frau hat ja in letzter Zeit immer mehr an mir herumzukritisieren - ich stehe immer als der blöde Depp da, der an allem Schuld ist aber sie ist sich keiner Schuld bewußt. Obwohl sie so gut wie jedes meiner Worte als Kampfansage deutet und immer gleich den Angriff als Verteidigungswaffe wählt, bin natürlich immer ich schuld.

Aber gestern war ein bisher unerreichbar geglaubter Gipfel der Angriffsverteidigung erreicht. Vor den Augen unseres Kindes zischte sie mir ihre kleinen Gemeinheiten und Vorwürfe entgegen. Und als der Kleine einen der Vorwürfe nochmal wiederholte mit "Genau Papa, immer machst du..." undsoweiter, da brannten bei mir kurzzeitig die Sicherungen durch. Ich sah ihm ins Gesicht, war total baff und konnte erstmal nichts sagen. Ich schluckte und verließ das Zimmer. Erstmal raus.

Zum ersten Mal seit Langem hatte ich Tränen in den Augen. Vor Wut, vor Verärgerung, wegen meiner Sprachlosigkeit, wegen so vielen Dingen...